Unter Büchern

Unter Büchern

Freitag, 19. Juni 2015

Grégoire Delacourt: Alle meine Wünsche

Copyright: Cornelia Conrad
"Die Begierde zerstört alles, was ihr in den Weg kommt".
Das ist ein bezauberndes, federleichtes Buch - mit ganz viel Niveau und mit ganz viel Futter für unsern Kopf. Man liest es an einem Sommerabend – aber das, was es bietet, mäaandert noch lange durch unsere Gedanken...
Was würden wir tun, wenn wir im Lotto eine Million gewännen?
Oder sogar18 Millionen?
Jocelyne, die Heldin dieses Romans, tut ganz bestimmt nicht das, was man normalerweise erwartet – aber da bin ich schon  mittendrin in dem klugen Buch, das mir auch beim zweiten Lesen gut gefallen hat:
Diese Jocelyne ist seit vielen Jahren verheiratet. Die Ehe ist abgenutzt, man hat sich nicht mehr so viel zu sagen, die Träume haben sich verflüchtigt, aber dennoch: Jocelyne liebt ihren Mann. Meistens. Die Kinder sind aus dem Haus, der Vater lebt nach einem Schlaganfall nur noch in Gegenwarten, die jeweils sechs Minuten dauern, danach "geht der Zähler der Erinnerung wieder auf null". Von dem Satz in ihrem Tagebuch aus Schulzeiten ist schon lange keine Rede mehr: "Ich möchte gern die Chance haben, über mein Leben zu entscheiden".
Ihr Lebensinhalt ist ihr kleiner Kurzwarenladen. 
Weil aber immer mehr Kundinnen fortbleiben, richtet sie einen Handarbeits-Blog ein – "früher schrieb man Tagebuch, heute ein blog"-  und mit dem  hat sie  großen Erfolg: sie gibt ihren Leserinnen Tips für Strick- oder Nähfragen; und sie erzählt ihnen auch ein bißchen aus ihrem Leben: als ihr Mann einmal krank war, schickten Jocelynes Leserinnen nicht nur gute Wünsche, sondern auch selbstgemachte Schals oder Pillen...
Nebenan gibt es einen Friseurladen, er wird von den Schwestern Danièle und Francoise betrieben. Die leisten sich Woche für Woche "für 10 Euro Träume für 20 Millionen": von einer Villa an der Cote d´Azur, einem Lifting, einem Diamanten. "Spiel doch auch mal", bedrängen die beiden Jocelyne, "du willst doch nicht für den Rest deines Lebens Kurzwarenhändlerin bleiben". Aber Jocelyne mag ihren Laden, so, wie sie ihr ganzes kleines Leben mag, in das sie eher hineingeschlittert ist, als daß sie sich bewußt dafür entschieden hätte. Mehr aus Daffke läßt sie sich schließlich von den Schwestern überreden und füllt einen Lottoschein aus. – Und bekommt die Nachricht: sie habe 18 Millionen gewonnen! Sie erzählt niemandem von diesem Gewinn, der macht sie nämlich nicht nur froh.
Jocelyne fängt an, Wunschlisten zu schreiben. Auf denen stehen hauptsächlich Dinge, die sie ihrem Mann schenken will: der Flachbildfernseher, mit dem er so liebäugelt. Der Porsche Cayenne, den er sich nicht leisten kann. Die komplette Sammlung der James-Bond-Filme. Aber auch ein neues Bügeleisen und andere Dinge, die sie im Haushalt braucht.
Ihren Gewinn läßt sie sich als Scheck geben. Den Scheck versteckt sie in einem Schuh im Schrank. Sie lebt ihr kleines Leben weiter wie bisher, denn eigentlich ist sie ja fast wunschlos glücklich darin. In ihrer Ehe, mit ihrem Laden, mit ihren Kontakten zu Nähbegeisterten in aller Welt.
Da verabschiedet sich ihr Mann für eine Woche – zu einer Schulung. Denn er soll einen angeseheneren, besser bezahlten  Job in seiner Firma bekommen.
Als sie kurz darauf nach ihrem geheimen Gewinn im Schrank sieht, ist der Scheck weg. ..
 Eine kluge Parabel auf Wünsche und ihre Folgen! – Der betuliche Umschlag des Buchs ist irreführend!



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen