Unter Büchern

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Freitag, 12. August 2016

Homer Hickam: Albert muß nach Hause

Copyright: Cornelia Conrad
Also – das ist eins von den Büchern, die man in den Ferien am Strand liest – und dabei gar nicht merkt, daß man Sonnenbrand kriegt; so sehr ist man von der Geschichte gefesselt.
Ich bin ganz aus dem Häuschen  von diesem leichtfüßig daherkommenden, temporeich erzählten, abgedrehten, skurrilen – was noch? durchaus Gedanken anregenden Roman.
Es ist keine „hohe“ Literatur, die Sprache ist nix besonderes. Aber der Plot ist so klasse, daß das überhaupt nicht ins Gewicht fällt.
Es geht um eine Menage à trois, aber von einer sehr skurrilen Art:
Homer liebt Elsie. Elsie liebt Albert, ihren Alligator. Und außerdem liebt Elsie   immer noch ihre Jugendliebe Buddy. Der ist in der jungen Ehe von Homer und Elsie omnipräsent, denn Albert, der Alligator,  war ein Hochzeitsgeschenk für Elsie.
Aber Albert wächst. Und Homer stellt seine Elsie vor die Entscheidung: Er oder ich! Elsie hasst das Kaff Coalwood, West Virginia, in dem ihr Mann Bergarbeiter ist und in dem es immer staubig und dreckig ist – und so findet sie den Plan nicht schlecht, Albert in die Freiheit zu entlassen: nicht irgendwo - sondern dort, wo er herkam: im sonnigen Florida.

Auf den ersten Blick ist das die völlig abgedrehte Geschiche von zwei Leuten, die sich eine blödsinnige Aufgabe gestellt haben: Sie werden 1935 einen 1,40 m langen Alligator auf dem Rücksitz ihres Buicks über 1 000 Kilometer transportieren. Er muß weg, weil er zwischen Elsie und Homer steht.
Diese Ehe leider aber nicht nur unter dem Alligator. Und so ist Albert nicht der einzige Ballast, mit dem sich die beiden auf die Reise machen.
Eigentlich wollte Homer nach 14 Tagen wieder zu Hause sein, das hat er seinem Chef versprochen. (Aber Elsie hofft insgeheim, daß sie nie mehr zurückkehren werden in das verhasste Kaff.)
Unterwegs stolpern sie von einer absurden Situation in die nächste:
Den beiden geht das Benzin aus. Homer macht sich auf den Weg zur Tankstelle. Dort können  sie seinen 50-Dollar-Schein nicht wechseln und schicken ihn zur Bank. Albert an der Leine immer dabei. In der Bank gerät Homer in einen Überfall – aber Albert beißt  einen der beiden Bankräuber ins Bein, der läßt vor Schmerz und Schreck seine Pistole fallen und flüchtet.
Sie werden für einen Film  gecastet.  Sie treffen auf Steinbeck und Hemingway. Sie geraten unter die Alkoholschmuggler...
Schnell wird klar, daß die Reise nach Orlando/Florida länger dauern wird als 14 Tage. Elsie ist darüber glücklich. Gegen die Abwehr von Homer wird sie abwechslungsweise Krankenschwester, Pilotin oder Hotelmanagerin.
 „Ich will mehr sein als du mir gönnst.“ Seltsamerweise hört aber Elsie überall, was doch  ihr Langweiler, ihr Bedenkenträger, ihr temperamentlose Zauderer  für ein toller Mann ist...

Der Roman ist nicht nur ein köstliches Road-Movie. Er ist zugleich auch eine sehr abseitige Liebesgeschichte, denn natürlich finden die beiden Helden auf ihrer Reise nicht nur Abenteuer, sondern sie entdecken sich selbst – und einander.
Ich habe das  Buch (das  eine Neuerscheinung ist und bisher nur gebunden erhältlich) verschlungen, mit Lust und Laune, mit lautem Lachen, mit Staunen über den Einfallsreichtum dieses Autors: Der stammt aus dem Bergarbeiterdorf Coalwood wie sein Held Homer. Und die Eltern des Autors heißen: Elsie und Homer, wie die Helden des Buchs. Der Mann hat eine unbändige Fabulierlust!
Zeitweise hat mich der Roman an den „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ erinnert. Aber Hickam hat mehr Hintergründiges zu bieten als Jonasson.
Macht für 19,90 Euro Kopfkino - da habt Ihr länger von als von zwei Kinokarten, die das gleiche kosten würden, aber nur anderthalb Stunden Spaß bereiten!




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