Unter Büchern

Unter Büchern

Freitag, 24. März 2017

Bruno Preisendörfer: Als unser Deutsch erfunden wurde


Copyright: Cornelia Conrad
Mein Liebster war so erfreut von diesem Buch (das ich ihm geschenkt hatte!), daß er seine Lesefreude unbedingt mit mir teilen wollte - und so las er  mir immer wieder Stellen draus vor. Die fand ich, obwohl ich sonst kein Sachbuch-Fan bin, so locker wie geistreich, so daß ich ihm vorschlug, einen Gastbeitrag für meinen blog zu schreiben. Auf daß seine Freude an dem Buch ansteckend sein möge!
Hier ist also Karlheinz Dreyers Besprechung "Als unser Deutsch erfunden wurde" von Bruno Preisendörfer:
Der Titel ist irreführend, obwohl er korrekt ist. Der „Erfinder“ war Luther. Mit seiner Bibelübersetzung, seinen Predigten, seinen Schriften und mit Hilfe der Buchdrucker hat er „unser Deutsch“ wesentlich geprägt. Aber nicht darum geht es in dem Buch in erster Linie. Preisendörfer beschreibt die Zeit, in der das geschah, den Anfang des 16. Jahrhunderts.
Wir wissen viel über diese Zeit, nur liegt unser Wissen in kleinen Splitterteilchen überall herum. Preisendörfer hat die Splitter zusammengefegt und ein Mosaik daraus gemacht. Er gibt aber nicht mit seiner Arbeit an. Er tut so, als hätte er das
Mosaik vorgefunden und müßte es nur noch beschreiben. Deshalb ist es so leicht und so unterhaltsam, dieses Sachbuch zu lesen.

Plötzlich kommt alles zusammen. Die Leute, von denen man schon so oft gehört hat.
Luther, na klar, und Melanchton und Dürer und Hieronymus Bosch und Götz von
Berlichingen und Michael Kohlhas und die Fugger und der Kaiser Karl, in dessen
Reich die Sonne nicht unterging. Plötzlich gehört alles dazu, von dem man auch
schon wußte. Amerika, das damals von einem Deutschen seinen Namen bekam, das
Joachimsthaler Silber, das zum Taler wurde, die Bauernkriege, die Pest, die Syphilis,
der Petersdom und der Calvinismus.
Man erfährt, was die Leute dachten, was sie glaubten, was sie aßen und was sie
anhatten. Preisendörfer zitiert aus Briefen und aus amtlichen Bekanntmachungen,
aus Luthers Predigten, aus Tagebüchern und aus Kräuterbüchern. Er beschreibt die
Kindertage des Protestantismus, das Ablasswesen, Beerdigungsrituale und
Hochzeitsbräuche. Er läßt nichts aus, denn eigentlich hat er ein Lexikon geschrieben.
Es liest sich aber wie ein Roman, weil Preisendörfer verständlich erzählt, lässig
formuliert, gern mal ein Späßchen macht und überhaupt nicht gelehrt tut.

Es wäre ein prima Schulbuch, aber es würde wahrscheinlich krachend mit der
Kultusbürokratie zusammenstoßen.


                                                                                                             Karlheinz Dreyer


Karlheinz Dreyer

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen