Unter Büchern

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Mittwoch, 14. Oktober 2015

Lily King: Euphoria

Copyright: Cornelia conrad
Dieses Buch ist ganz großes Kino!
Alles drin: Liebe. Begehren. Eifersucht. Neid. Macht. Zerstörung.
Eigentlich mag ich ja keine Romane, die in exotischen Gegenden spielen – ist mir alles zu weit fort, geographisch und mental.
Aber diese Dreiecks-Geschichte lockte mich so sehr, daß ich den Ort der Handlung in Kauf nahm: Neuguinea. Und – ich wurde sehr belohnt.

Es geht also um eine Frau zwischen zwei Männern: Nell (reale Vorlage: Margaret Mead) ist eine junge amerikanische Anthropologin, die schon berühmt ist und viele Bücher veröffentlicht hat. Sie ist mit ihrem Mann Fen, der auch Anthropologe ist, im Dschungel von Neuguinea unterwegs, erschöpft, entkräftet, krank – und ohne rechte Erfolge. Die beiden haben den richtigen Eingeborenenstamm noch nicht entdeckt, an dem sie Feldforschungen betreiben könnten. Da treffen sie zufällig auf einen Kollegen, den Engländer Andrew Benson...

Benson fühlt sich im Dschungel einsam und ist so depressiv, daß er sich umbringen möchte. Aber die Eingeborenen retten ihn aus dem Wasser und belehren ihn: man geht nicht mit Steinen in den Taschen schwimmen! Er ist froh über die Begegnung mit den Kollegen, die ihn aus seiner Einsamkeit befreien. Und hofft, daß sie möglichst lange bleiben, damit er Menschen um sich hat, mit denn er sich austauschen kann. Nell verzaubert ihn sofort - und er merkt schnell, daß Nell nicht glücklich ist neben ihrem Mann Fen. Denn der ist ziemlich zynisch. Und machtbesessen. Um sie in seiner Nähe zu halten, bietet Benson den beiden an, sie zu einem Stamm zu bringen, der für sie sicher sehr ergiebig ist: den Tam. Die beiden willigen begeistert ein. Lassen sich im Dorf am Sepik-Fluß ein Haus bauen, packen ihren Hausrat aus, engagieren einen Koch. Nell lernt schnell die Sprache des Stamms, bekommt Kontakt zu den Kindern, macht regelmäßige Besuche in den Häusern der Frauen (wo sie erst sehr abgelehnt wird, zum Schluß aber an einer orgiastischen, absolut sinnlichen Zusammenkunft der Frauen teilnehmen darf) und notiert alle Beobachtungen wie eine Besessene -–und ihr Mann reagiert zunehmend eifersüchtig auf ihre Forscherarbeit. Nell weiß, daß er in ihrem Schatten steht, läßt ihm deshalb bei vielen Studien den Vortritt, sie macht sich klein, entschuldigt sich beinah für ihren Erfolg.
Fen spürt, daß seine Frau Nell und der Brite Benson eine große Vertrautheit haben, bei Diskussionen zwischen den beiden bleibt er oft "draußen"; er wird zunehmend aggressiv und zieht sich immer mehr in die Männerwelt des Dorfs zurück – zu der Frauen keinen Zutritt haben.
Natürlich steuert die Handlung des Romans auf ein schlimmes Ende zu. Denn das kann nicht gut gehen zwischen den dreien...
Außer der faszinierenden, fesselnden Dreiecksgeschichte hat der Roman aber noch viel mehr zu bieten, was ich hier alles gar nicht unterbringen kann und will. Nur so viel: Lily King ist sehr klug, schreibt eine brilliante Sprache schreibt und hat unglaublich fleißig recherchiert. So erfahren wir viel über die Bräuche und Traditionen eines Naturvolks, das in den 1930er Jahren, in denen der Roman spielt, schon recht nah an seiner Zerstörung durch die westliche Welt ist.
Ich war und bin begeistert von diesem Buch. Es hat eine große Sogwirkung und es ist sooo sinnlich. Man spürt regelrecht die schwülheiße Luft dort am Sepik-Fluß, man hört die Trommeln und die Gesänge der Tam... Ich habe selten ein Buch gelesen, das in mir so einen Film im Kopf ausgelöst hat.

Unbedingt lesen!

 




 

 

 

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