Unter Büchern

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Samstag, 5. September 2015

Elizabeth von Arnim: Fräulein Schmidt und Mr. Anstruther

Copyright: Cornelia Conrad
"Meine liebe junge Dame, Sie haben wohl kürzlich wieder nur von Gemüse gelebt?"
"Warum?"
"Ihre Gedanken scheinen mir wäßrig."
Das ist nur eine von ganz vielen Stellen, die ich in Elizabeth von Arnims Buch angestrichenichen habe. Man könnte ständig anstreichen in diesem köstlichen Roman.
Elizabeth von Arnim ist vielleicht einigen von Euch bekannt. Verzauberter April?!
Sie hat aber noch viel mehr geschrieben – und das ist leider alles ziemlich in der Versenkung verschwunden. Wie schade. Die Autorin ist für mich mit ihrer Ironie, ihren klugen und kurzweiligen Plots eine nachgeborene Schwester Jane Austens. Ich habe alle Romane von Elizabeth von Arnim gelesen und möchte Euch heute mit meiner Begeisterung für diese Autorin anstecken.

Rose-Marie lebt mit ihrem Vater und der Stiefmutter in sehr bescheidenen Verhältnissen. Der Vater ist Geisteswissenschaftler, die Stiefmutter frömmlerisch und spießig. Um die Haushaltskasse aufzubessern, nimmt die Familie einen jungen Engländer auf, der Deutsch lernen möchte. Nach einem Jahr reist er wieder ab, nicht ohne am Abend vor seiner Abreise noch Rose-Marie seine Liebe zu gestehen. Rose-Marie schwebt auf Wolke sieben.
Aber erst muß Roger in England noch Examina ablegen.

Dann ist der Weg frei, die beiden könnten heiraten. So lange werden Briefe geschrieben. Rose-Marie beschreibt ihrem Liebsten ausführlich ihre neuen Gefühle und ihr Glück, aber sie erzählt auch sehr atmosphärisch und prononciert aus ihrem Alltag zu Hause und aus der Enge der provinziellen Kleinstadt Jena.oger wird "Lieber Mr. Anstruther", und aus der zarten liebenden Frau wird eine spöttische Briefschreiberin, die nichts mehr von ihrem Innersten preisgibt. Statt dessen wäscht sie dem "lieben Mr. Anstruther" immer wieder gehörig den Kopf – was diesem gut zu tun scheint. Er leidet an Langeweile und Leere neben seiner Nancy, und er merkt, was er aufgegeben hat: eine Frau, die klug ist, die analytisch denkt, sich nicht verbiegen läßt. Und die kein Blatt vor den Mund nimmt. Sie schreibt ihm: "Sie machen jene lästigen Seelenschmerzen durch, die regelmäßig diejenigen befallen, die zu bequem leben, und offenbar müssen Sie jemandem davon erzählen. Nun, es ist eine Art Weltschmerz und befällt nur die Wohlgefütterten..." Rose-Marie ist eine durch und durch libertäre Frau, unkonventionell, offen, querdenkend. Und das im Dunstkreis einer geizigen bigotten Stiefmutter und einer Jenaer Bürgerwelt, in der "man tut nicht" stärker wiegt als geistig
e Freiheit. "Ein Spießbürger ist einer, der in den bereits vorhandenen Geleisen geht, anstatt auf einem Meilenstein zu sitzen und nachzudenken und seine eigenen Geleise zu suchen." Sie hat die Füße fest auf dem Boden – und sie hat die Fähigkeit zum Glück. Auch ohne Geld. Und ohne Roger. ..
Die Raffinesse des Romans besteht darin, daß wir nur Rose-Maries Briefe an Roger zu lesen bekommen – und die lesen sich: wie ein Roman. Ein Roman, den man nicht mehr aus der Hand legt, denn er ist so unterhaltsam wie lebensklug. Soll ich jetzt verraten, wann das Buch erschienen ist? Nee – sonst denkt Ihr sofort: Klassiker und laßt mich mit meiner Schwärmerei allein!

Übrigens hat Elizabeth von Arnim für die Recherche des Stoffs Kinder und Mann allein gelassen, und hat sich in Jena als Dienstmädchen verdingt, um ganz genau zu erleben, was sie später beschreiben wollte.

Rose-Marie erfährt das alles natürlich nur aus seinen Briefen. Sie wird krank. Sehr heftig und sehr lange. Als sie wieder gesund ist, bittet Roger sie um ihre Freundschaft – und um die Fortsetzung ihres Briefwechsels. Jetzt klingen Rose-Maries Briefe anders. Aus R
Die Briefe von Roger werden spärlicher. Sie denkt sich nichts dabei, schließlich bereitet er sich aufs Examen vor. Sie denkt sich auch nichts dabei, als Roger ihr erzählt, er treffe immer wieder die reizende Nancy auf Gesellschaften ... Roger ist ein Weichei. Ein Opportunist. Denn kaum wieder daheim, verlobt er sich schleunigst (angeblich auf dringenden Wunsch seines Vaters) mit der standesgemäßen, und deshalb sehr langweiligen, Nancy.


 

 

 

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