Unter Büchern

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Donnerstag, 12. März 2015

Guy de Maupassant: Bel Ami

„Wenn man früher unfähig war, wurde man Fotograf; heute wird man Abgeordneter.“          
                                                                                         Guy de Maupassant

Die Novellen Maupassants, die ich auf einer Zugfahrt las, gefielen mir so gut, daß ich endlich, endlich den bekanntesten seiner Romane las: Bel Ami.
Um es gleich zu sagen: es ist ein unglaublich ironisches, kluges Gesellschaftsbild. Maupassant erzählt so packend, daß ich nicht aufhören konnte zu lesen, die folgende Geschichte (die Mitte des 19. Jahrhunderts spielt, aber genauso gut heute handeln könnte).
Ein junger Unteroffizier, beschränkt, ungehobelt, arm, streunt nach seiner Entlassung aus der Armee durch Paris. Trifft einen ehemaligen Freund, Forestier, geht mit ihm einen trinken, erzählt von seinem Unglück in Armut. Forestier, angesehener Journalist, hat Erbarmen mit dem armen George – so heißt unser Held (er könnte aber auch Christian heißen...) und verschafft ihm in seiner Redaktion ein Pöstchen. George kann zwar schwadronieren, aber er hat keine Bildung – und er kann nicht schreiben. Also läßt er sich von Forestiers Frau bei seinem ersten Artikel helfen, der sofort ein großer Erfolg wird. George trägt den Kopf höher. Reckt die Brust. Er träumt vom großen gesellschaftlichen Aufstieg. Tut aber nichts aus eigener Kraft dazu. Deshalb läßt er sich einladen und aushalten,  findet Einlaß in die Hautevolee  von Paris (in der es von halbseidenen Damen nur so wimmelt) und merkt schnell, daß er Erfolg bei den Frauen hat. Denn er sieht sehr gut aus, der „bel ami“, der schöne Freund.  Das ist sein Kapital. Je intensiver er in den Höheren Kreisen verkehrt, desto bauernschlauer wird er, der Emporkömmling, der Parvenu, der am abfälligsten genau über die spottet, die aus dem gleichen Holz sind wie er. Er benutzt alle  - und läßt sie dann fallen, wenn er sie nicht mehr braucht. Er lebt auf Kosten anderer: Clothilde, seine Maitresse, finanziert das gemeinsame Liebesnest, er schläft sich nach oben, Madame Forestier schreibt ihm seine Artikel.
George ist ein unsympathischer Mensch. Trotzdem fesselte er mich, denn sein Aufstieg vom nobody zum Schwiegersohn des Zeitungsverlegers ist so rasant wie trickreich. Sein ewiger Neid ist sein Motor, der ihn antreibt: immer noch mehr, immer noch höher... So sehr man es sich auch wünscht: er fällt nie auf die Nase, immer nur weiter nach oben.
Maupassant entlarvt die Intrigenwirtschaft von Journalisten, die nicht die Distanz pflegen zu den Politikern, sondern vielmehr deren Nähe suchen – um dann schreibend zu manipulieren.
Ein großartiger Roman, finde ich, dessen psychologische Genauigkeit und zeitlose Thematik mich ins Schwärmen bringen: solche Typen wie George gibt’s doch heute überall.
Und mir fällt der andere große Seelenkenner des 19. Jahrhunderts in Frankreich ein: Gustave Flaubert mit seiner Madame Bovary.




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