Unter Büchern

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Donnerstag, 19. Februar 2015

Thomas Meyer: Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse

Was für ein verheißungsvoller Titel! Und er hält, was er verspricht: eine Geschichte, die so hinreißend erzählt wird, daß ich das Buch ohne Pause gelesen, nein verschlungen habe.
Ja, Ihr assoziiert richtig: der Roman handelt im jüdischen Milieu.
Er erzählt in einem genialen Mischmasch von deutscher und jiddischer Sprache die "Menschwerdung" des Helden. Der heißt Mordechai Wolkenbruch und ist 25 Jahre alt. Er studiert an der Uni Zürich. Ansonsten lebt er aber völlig unter der wohlmeinenden (!) Fuchtel seiner Mame, die wie alle jüdischen Mame ihr Kind gut verheiraten will.
Gut heißt: mit einem soliden Majdl, das fest in seiner Jiddischkajt verwurzelt ist. Leider haben aber alle Kandidatinnen, die die Mame ihrem jingele aussucht und vorstellt, vertrackte Ähnlichkeit mit ihr; sie sind dick und behäbig.
Motti, wie er zärtlich von seiner Mame genannt wird, hat sich schon lange  heimlich in die Studentin Laura verliebt. Und schmachtet sie von ferne an, denn sie nimmt den jungen Mann in schwarzen Hochwasserhosen und der silberfarbenen Brille im pilotnbriln-Stil  auf der Nase überhaupt nicht wahr.
Meyer, dessen Mutter Jüdin ist, kennt sich aus im Milieu. Hat  genug Intelligenz und Chuzpe, sich liebevoll lustig zu machen über die diversen Verschrobenheiten  seiner Glaubensbrüder. So läßt er seinen Motti darüber philosophieren, weshalb alle Jidn üblicherweise Toyota Previa fahren. Weil sie keine deutschen Autos mögen.  Weil sie beim jiddischen Autohändler  a gitn prajs bekommen. Weil  der erste, der einen Previa fährt, dem nächsten auch dazu rät.
Nachdem Motti seine Freundin, die alte Frau Silberzweig besucht hat, die ihn so sanft wie ironisch ins richtige Leben schubsen will, beschließt er, a neue briln zu kaufen.  Natürlich geht er zum Optiker Grünstern (zu dem gehen alle Jiddn!), und natürlich sehen alle Brillen dort genau so aus wie die, die er schon auf der Nase hat: silberfarben, im Pilotnbriln-Stil. Deshalb betritt Motti schließlich doch das Brillengeschäft eines Goj. Wohl ahnend, daß mehr Auswahl (an Brillen) zwingend weniger jiddischkajt bedeuten wird. Aber wenn er sich schon in eine gojete verguckt hat, kann er sich schließlich auch eine briln beim Goj kaufen.
Damit fängt seine Emanzipation an. Und gleichzeitig sein innerer Konflikt: ist er noch ein richtiger Jude, wenn er bunte Kleider trägt statt schwarzer Hochwasserhose und weißem Hemd, eine briln beim Goj kauft, eine Schickse liebt?
Wie Motti schließlich seinen Weg findet, wie er erwachsen wird, sich in seiner Jidischkajt emanzipiert, das ist so witzig und so klug geschrieben, daß ich ihm viele, viele Leser wünsche. Und wem dieses Buch gefallen hat, dem sei Lily Bretts "Chuzpe" heftigst empfohlen!

1 Kommentar:

  1. Das ist ein köstliches Buch! Ich hab es auch gelesen, und die Besprechung trifft's genau!

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